«Lilith, willst Du später auch einmal arbeiten?» Eine rhetorische Frage. Meine Kinder finden mein Büro, ohne je da gewesen zu sein, spannend. Im Büro ihres Vaters waren sie schon, finden sie eh gut, sie durften dort alles anmalen und Pizza essen. Ich arbeite gerne, einmal im Jahr macht mich aber der blosse Gedanke an die Arbeit sauer. Alle Jahre wieder, um den 8. März herum, dem Tag der Frau. Die Medien sind voll mit der alten Leier: Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor Exotinnen. Dass jede fünfte (!) neue Person in einer Schweizer Geschäftsleitung eine Frau ist, wird als Erfolgsmeldung verkauft. 

Männer konzentrieren sich auf das Erwerbsleben und verpassen die ersten Jahre ihrer Kinder. Die Medienberichte lassen mich befürchten, dass meine Tochter und mein Sohn später wohl nicht die Freiheit haben werden, die ich ihnen wünsche: Die Freiheit, ihren Job und ihr Privatleben so zu gestalten, wie sie es möchten. Klischees bestimmen nach wie vor unser Berufsleben. «Seitdem Du Mutter geworden bist, bist Du weicher» so mein ehemaliger Chef im Rahmen des ersten Mitarbeiterinnengesprächs nach meinem Mutterschaftsurlaub. Ich war konsterniert, witterte ein Klischee und wäre ihm im ersten Moment am liebsten an die Gurgel gesprungen. Es dauerte einige Zeit und herausfordernde berufliche Erfahrungen, bis ich verstand. Die Aussage war als Kompliment gemeint. Das ich heute gerne annehme. Und die Aussage war ein Mosaiksteinchen, welche mein Bild der Ungleichberechtigung im Job unterdessen prägt: Nicht die fehlenden Frauen in den Chefetagen sind das Problem. Sondern die fehlenden Mütter, Väter und weiteren Menschen, welche sich neben dem Job noch für andere engagieren.

Teilzeit als Majestätsbeleidigung

Letztes Jahr durfte ich in der Sonntagszeitung folgendes aus der Feder einer Journalistin lesen: «Aller Emanzipation zum Trotz ist Geldverdienen immer noch Männersache. Frauen übernehmen in dieser Hinsicht keine Verantwortung; anstatt ins Büro gehen sie lieber auf den Spielplatz». Das Klischee ist zu dämlich, um kommentiert zu werden. Die Aussage stört mich aus einem anderen Grund: sie macht glauben, dass, wer Verantwortung im Büro übernimmt, nicht auch gerne Zeit mit seinen Kindern auf dem Spielplatz verbringen will und kann. Eine solche Aussage würde mich selbstverständlich auch dann nerven, wenn sie von einem Mann stammte. Aber bei Frauen nervt sie mich noch mehr. Wie mich auch Frauen im Berufsleben zur Weissglut treiben, die nur vordergründig emanzipiert sind, in Tat und Wahrheit aber klischierte Geschlechterrollen und alte Strukturen leben. Die Chefin einer Freundin, die bis abends spät im Büro sitzt. Ihre Ferien mit aufopferungsvoller Miene annulliert. Die wahrscheinlich wegen einer spontan verschobenen Sitzung auch ihre eigene Hochzeit absagen würde. Und all das nicht aus Interesse am Job, an der Sache oder am Team. Sondern aus einer Mischung zwischen Selbstüberschätzung – ohne mich geht das Schiff unter – und mangelndem Privatleben. Folgerichtig betrachten diese Frauen denn auch Mütter primär als Organisationsproblem. Deren «Weichheit», oder mit anderen Worten deren Empathie, ein Fehler der Natur. Sie verabschieden Väter, welche früher aus der Sitzung rausgehen, um ihr Kind aus der Kita abzuholen, mit hoch gezogenen Augenbrauen. Sie betrachten Teilzeit als Majestätsbeleidigung, da bedingungslose Loyalität nur in Vollzeit möglich ist. Sie nutzen den Mutterschaftsurlaub ihrer Angestellten, um deren Stelle neu zu konzipieren und frisch zu besetzen. Und vor allem: sie sind sich sicher, dass nur ihr Lebens- und Arbeitsmodell richtig ist.

Alles perfekt mit 24-Stunden-Nanny

Klar, auch unter diesen Frauen gibt es Mütter. Sie haben entweder die Kinder schon aus dem Haus und sehen nicht, warum es den jungen Müttern einfacher gemacht werden sollte. Oder sie leisten sich eine 24-Stunden-Nanny zuhause. Diese Frauen dienen als perfektes Beispiel, dass sich der Karriereknick, welcher nicht Frauen, sondern Müttern regelmässig blüht, vermeiden lässt. Der Arbeitgeberverband will das für alle Frauen.  Und sieht die Lösung darin, Teilzeiterinnen durch eine bessere, vom Staat finanzierte externe Kinderbetreuung ein höheres Pensum zu ermöglichen. Der Forderung zugrunde liegt eine Analyse, wonach 15% aller Mütter ihr Pensum erhöhen möchten. Etwas mehr beeindruckt hat mich die Sterbehelferin Bronnie Ware, welche aufgeschrieben hat, was ihre sterbenden Patienten am meisten bedauert haben: Jeder männliche Patient hat bereut, zu viel gearbeitet und wichtige Entwicklungsschritte seines Nachwuchses verpasst zu haben. Kann es wirklich Ziel der Gleichberechtigung sein, dass dereinst auch alle Frauen diese Gedanken im Sterbebett haben?

 

Frauenquote? Diversity-Quote!

Ich glaube, es braucht einen anderen Ansatz. In einem an sich mutigen Entscheid hat der Bundesrat Ende letztes Jahr eine Frauenquote von 30% für Verwaltungsräte und von 20% für Geschäftsleitungen von grossen börsenkotierten Unternehmen vorgeschlagen. Das Totschlagargument, dass qualifizierte Frauen durch eine Quote und Quotenfrauen beleidigt sein sollen – geschenkt: Nach einer jahrhundertelangen eigentlichen Männerquote müssten Heerscharen von faktischen den tatsächlich qualifizierten Männern das Leben schwermachen. Aber eine reine Frauenquote greift trotzdem zu kurz. Es braucht eine Diversity-Quote. In der Vollzeit und in Teilzeit müssen Mütter und Väter sowie Frauen und Männer Platz haben. Denn wenn eine reine Frauenquote mit Frauen erfüllt wird, welche sich darin gefallen, die besseren Männer zu sein – na dann danke schön. So gesehen eigentlich kein Wunder, wie meine Tochter mir geantwortet hat: «Äuä!» «Aha?! Und was willst Du denn machen?» «Geld ausgeben».

 


1 Kommentar

Oliva · 13. März 2017 um 13:33

Mir gefällt, dass der Ansatz der Diversität aufgegriffen wird: Emanzipation bedeutet für mich, seinen eigenen Lebensentwurf, definiert durch die eigenen Werte zu leben – unabhängig vom biologischen Geschlecht. Die Herausforderung, das umzusetzen ist gross. Der traditionelle Arbeitsmarkt lässt das definitiv nicht zu und die Denkweise der Mehrheit torpediert bewusst und unbewusst. Mir scheinen politische Bemühungen extrem unbeholfen, da nur am Rande strukturelle Probleme angekratzt werden. Sprich: jeder Einzelne muss für sich seine Lücke schaffen, die ihm eine Lebensweise gestatten, welche mit den Wertvorstellungen übereinstimmen, so dass am Ende nicht gesagt werden muss, hätte ich mehr Zeit für das oder jenes gehabt.

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