Erfolgreiches Unternehmen dank gutem Recruiting und zielgerichteter Ausbildung der Mitarbeitenden – Ina Rhöös, Leiterin Employer Branding & Recruiting Diversity and Inclusion bei IKEA, steht jobsfürmama Rede und Antwort.


Welche Aufgaben haben Sie als «Diversity Expertin» und weshalb sind diese für ein Unternehmen wie IKEA wichtig?

Unser Ziel ist es, dass sich unsere Kundinnen und Kunden bei uns wohl und verstanden fühlen. Das geht nur, wenn unsere Mitarbeitenden ein Spiegel von denjenigen Menschen sind, die bei uns einkaufen. Deshalb müssen sich nicht nur Kundinnen und Kunden wohlfühlen, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Stichwort dazu heisst „inclusion“. Es bedeutet, dass sich jeder willkommen und wertgeschätzt fühlen soll.

Wie erreicht das Diversity-Gremium dieses Ziel?

Bei uns spielt es keine Rolle, wer du bist. Es kommt nicht auf Herkunft, Alter, Nationalität und sexuelle Ausrichtung an, oder darauf, ob jemand introvertiert oder extrovertiert ist. Erst wenn jeder und jede bei der Arbeit sich selber sein darf, bringt sie oder er uns als Firma weiter. Dazu gehört auch, dass wir unsere Führungskräfte in Workshops über die Problematik der kognitiven Wahrnehmungsverzerrung («unconscious bias») und die Vorteile von gemischten Teams («diversity») informieren.

Unconscious bias, was bedeutet dieser Begriff?

Gemeint sind die unbewussten Vorurteile, Stereotypen und andere Denkfehler, die wir alle haben. Von der Evolution des Menschen her gesehen, machten diese Denkmuster durchaus Sinn. Denn so konnten unsere Vorfahren innert Sekunden eine Lage einschätzen und entscheiden, ob sie z.B. vor etwas Unbekanntem flüchten oder Eindringlinge angreifen sollten. Wir brauchen ungefähr drei bis sieben Sekunden, um unser Gegenüber einzuschätzen. Menschen, die uns ähnlich sind, mögen wir eher. Dies nennt man «similarity bias».

Was raten Sie als Expertin, damit „bias“-freie Entscheidungen in Unternehmen unterstützt werden?

Ganz ohne Vorurteile werden wir nie sein. Das haben wir alle in uns. Aber ich würde mir wünschen, dass alle Unternehmen bei Beförderungen einen Talent-Pool aufbauen, aus dem mit dem Vier-Augen-Prinzip die besten Leute ausgewählt werden, damit nicht alles in der Macht einer einzelnen Person liegt.

Wegen der „similarity bias“, welche Sie eben angesprochen haben?

Ja genau, denn heute liegt diese Macht hauptsächlich in der Hand von Männern und es ist schwierig davon wegzukommen. Beispielsweise ist das Wort „Manager“ für viele automatisch männlich und ich versuche immer zu unterstreichen, dass es eben auch eine „SIE“ sein kann. Diese sprachliche Typisierung von Wörtern und Berufsbildern ist wirklich ein Problem, weil sie bewirkt, dass junge Frauen es gar nicht in Betracht ziehen „Manager“ zu werden. Wir müssen den jungen Frauen das Gefühl geben, dass sie alles werden können was sie möchten.  

Welche Unterschiede verblüffen Sie bei Bewerbungsprozessen immer wieder?

Studien zeigen, dass sich Männer auf Jobs bewerben, wenn sie bereits 30 Prozent der Anforderungen erfüllen – Frauen bewerben sich dagegen meist erst dann, wenn sie mehr oder weniger alle Punkte erfüllen. Diese Erfahrung machen wir auch. Dazu haben Männer oft eine Lohnvorstellung, die über dem liegt, was wir zahlen können. Die Frauen sagen hingegen: „Ich freue mich so, dass ich den Job bekomme. Der Lohn ist mir egal“. Wenn wir hier nicht aufmerksam wären, hätten wir ganz schnell eine viel zu grosse Lohnschere zwischen den Geschlechtern innerhalb des Unternehmens. Frauen verhandeln den Lohn also schlechter. Dies heisst aber nicht, dass sie den Lohnunterschied zwischen Frau und Mann als weniger unfair empfinden. Ein interessantes Video zu diesem Thema gibt es: hier.

Viele Frauen machen in der Schweiz die Erfahrung, dass sie gerade mit kleinen Kindern auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Beobachten Sie das auch?

Ja, das kann ich nachvollziehen. Ich kenne viele Frauen hier in der Schweiz, die damit Mühe bekunden. Bei IKEA benachteiligen wir niemanden, auch nicht die Väter. Sonst hätten wir keinen Anteil von 50/50 – und das ganz ohne Quote.

Aber ich kenne schon Fälle aus anderen Unternehmen, bei denen Frauen mit Kindern im Einstellungsgespräch gefragt worden sind, ob sie denn auch die Kinderbetreuung sicherstellen könnten. So etwas würde ein Mann doch nie gefragt werden. Ich bin sicher: Eine Frau bewirbt sich doch nicht, wenn die Kinderbetreuung nicht organisiert wäre.

Und doch ist Kinderbetreuung, oder zumindest deren Organisation, in der Regel Sache der Frauen.

Ja, hier müssen sich die Frauen halt auch durchsetzen und sich jemanden suchen, der bereit ist, mit ihnen die Aufgaben zu teilen.

Wie kommt IKEA Eltern entgegen?

Bei uns setzen wir keine Karrieren „on hold“, auch wenn wir denken, eine Frau könnte bald Mutter werden oder es bereits geworden ist. Und wir bieten auch den Vätern beispielsweise die Möglichkeit Teilzeit zu arbeiten, damit sich der Job mit der Familie vereinbaren lässt.

Hier wäre sicher mehr Flexibilität aller Arbeitgeber gefragt. Ich denke in Zukunft werden sich die Arbeitgeber mehr anpassen müssen, sonst finden sie bald keine guten Leute mehr. Die Attraktivität als Arbeitgeber steigt und die Leute kommen so lieber arbeiten. Und ja, wäre ich ein Mann und hätte einen Arbeitgeber, der mir nicht entgegenkommt, würde ich kündigen und mir etwas anderes suchen. Es ist zu einfach sich hinter dem Argument zu verstecken, die Industrie erlaube es nicht oder der Arbeitgeber lasse nicht mit sich reden.

Nach wie vor suchen Mütter in der Schweiz oft Teilzeitstellen währenddem Väter Vollzeit arbeiten. Warum „knicken“ immer die Mütter ein?

Ich kann nachvollziehen, dass es ein rationaler Entscheid ist, dass Mütter mit kleinen Kinder eher zu Hause bleiben. Die Strukturen in der Schweiz fördern dies, beispielsweise mit hohen Krippenkosten oder Schulzeiten, wegen derer man mittags zu Hause sein muss. Dazu kommt, dass es meistens die Männer sind, die Führungspositionen innehaben und mehr verdienen (noch immer besteht ein Lohnunterschied von durchschnittliche 15 Prozent für gleiche Arbeit).

Aber auch hier spielen wieder „unconscious biases“ mit: Was macht in der Schweiz eine gute Mutter aus? Viele Leute hier sind damit aufgewachsen, dass die Mutter zu Hause ist. Es ist extrem schwierig sich aus dieser Rollenaufteilung zu lösen, denn es hat auch mit der Integration in der Gesellschaft zu tun. Aber eines sollten die Mütter nicht vergessen: Da sie oft mehrere Jahre aussetzen und danach viele Jahre Teilzeit arbeiten, schlägt sich das in massiv niedrigeren Renten und Pensionskassenguthaben nieder. Ich weiss, es ist schwierig gegen ein ganzes soziales Gefüge zu schwimmen. Aber: Wer nicht Hausfrau werden will, muss eben kämpfen.

Wie unterschiedlich empfinden Sie die Rollenbilder in der Schweiz im Vergleich zur ihrer Heimat?

Ich komme aus Schweden, einem Land, in dem die Väter mindestens drei Monate Vaterschaftsurlaub haben, oft aber auch sechs Monate oder mehr beziehen. Es ist dort normal, dass man diese Zeit untereinander aufteilt. In der Schweiz ist das leider nicht der Fall, da die Gesellschaft wohl noch nicht so weit ist.

Warum ist das aus Ihrer Sicht so?

Ich denke, Mütter und Väter müssten das aktiv einfordern – aber natürlich muss dazu auch ein Wunsch vorhanden sein. Ich glaube, das Bild einer perfekten Mutter in der Schweiz sieht wie gesagt so aus, dass sie vor allem für ihre Kinder da ist und nicht beide Eltern gleichermassen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Schweiz lebt im Vergleich zu Schweden sicher noch ein viel konservativeres Bild von Mutter und Vater.

Was hat es gebraucht, dass sich das in Schweden verändert hat?

Als der Vaterschaftsurlaub in den 1970er Jahren eingeführt worden ist, haben erst ganz wenige Väter davon Gebrauch gemacht. Aber als es immer mehr Männer gab, die öffentlich als Vorbilder fungierten, hat sich das stark geändert. Später wurde der Urlaub dann auch noch verlängert. Heute kenne ich keinen schwedischen Mann in meinem Freundeskreis, der keinen Vaterschaftsurlaub gemacht hat, als er Vater wurde.

Die hier vertretenen Ansichten sind persönliche Aussagen von Ina Rhöös und gelten nicht als Ansichten von IKEA.


1 Kommentar

T. M. · 10. Juli 2018 um 15:01

„Punkto Vereinbarkeit ist die Schweiz für sie noch immer ein Entwicklungsland – und hat viele Ideen, wie das zu verbessern wäre. “ Nebensatz funktioniert so nicht, Subjekt im Hauptsatz ist die Schweiz, im Nebensatz wäre wohl Frau Jürgensen als die mit den vielen Ideen gemeint gewesen.

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