K.o. Ganz ehrlich? Das sind doch die wenigsten Mütter. Zumindest, wenn ich die Profile meiner Freundinnen und Bekannten aber auch von wildfremden Müttern auf Instagram anschaue. Dann scheint es fast, als lebte eine jede von ihnen in der perfekten Familie, stets in den perfekten Ferien und natürlich – farblich perfekt abgestimmt angezogen.
Aber zugegeben, auch auf meinem eigenen Profil (das ich übrigens nur mit ganz wenigen Personen teile) poste ich normalerweise nicht jene Bilder, auf denen ich mit Augenringen einen Schreianfall meiner Tochter parieren zu versuche – schliesslich fällt mir in diesem Moment kaum ein, ein Bild davon zu machen. Es sind die schönen Momente, die man teilt. Aber trotzdem bin ich immer wieder dankbar, wenn ich Bilder mit ehrlichen Posts sehe, von Jungmamis mit grauen Haaransätzen (z.B. die sonst stets so makellose Bloggerin cocoscutecorner via Stories) oder von jenen Mamas, die zugeben, auch mal überfordert zu sein (siehe jetsetmama). Ich staune immer wieder, wie gewisse Bloggerinnen es schaffen, ihre drei(!) Töchter in gleiche Outfits zu stecken und professionell abzulichten – wie gerne würde ich das Making-of von den thequinngirls mal sehen. Halten die wirklich alle brav für Zöpfchen hin?

Work, Sleep, Family, Fitness, or Friends: Pick 3

Hinter der schönen Fassade – wir wissen es doch alle – steckt für jedes Kind, das man grosszieht, ganz viel Arbeit, Zuwendung, Liebe und Geduld. Kommt noch ein anspruchsvoller Job dazu, sieht die Energiebilanz vieler Mamis manchmal ganz schlecht aus. Mir ging es nicht anders, als ich trotz eines Traumjobs auf der Redaktion mir irgendwann eingestehen musste, dass ich und meine Familie zu kurz kommen. Mein Lieblingspost auf Instagram dazu lautet übrigens wie folgt: „Work, Sleep, Family, Fitness, or Friends: Pick 3“. Man kann wirklich nicht alles haben, gäll Anne-Marie Slaughter. Nur, wer kann das schon?

Da Schlaf seit der Schwangerschaft und Geburt unserer zweiten Tochter einfach Mangelware ist (Himmel! Nun erst weiss ich das Geschenk meiner Grossen zu schätzen, die, seit sie drei Monate alt ist, durchschläft!), konzentriere ich mich momentan auf Arbeit, Familie und – wenn es irgendwie drin liegt – Freunde. Ich habe aber auch schon Nachrichten mit Galgenhumor versendet: „Can I call you back (in five years)?“ Nicht selten verstehen Freundinnen ohne Kinder es nicht ganz, warum es so schwierig ist, eine einfache Textnachricht innert nützlicher Frist zu beantworten. Aber da meine Priorität klar auf Arbeitsmails liegt und ich meinen Freundinnen auch mehr als nur Ja oder Nein antworten möchte, wandern die eine oder andere Nachricht nicht selten auf der Kontaktliste runter und damit schneller aus meinem Gedächtnis, als ich es vorhatte. Sorry Girls, an dieser Stelle. Meine es wirklich nicht böse.

Ausgebrannt 

Unbeantwortete Nachrichten und schlaflose Nächte mögen auf den ersten Blick nicht weiter tragisch sein. Doch ich weiss auch aus eigener Erfahrung, dass gerade, wenn beide Elternteile berufstätig sind, Krankheit, Stress im Job oder sonst Unvorhergesehenes dazu kommen – und zwar über Wochen oder Monate – für ein Burnout Mutter als auch Vater gefährdet sind. Kranke Kinder beispielsweise stellen die Organisation von Arbeit und Familie oft vor grosse Hürden. Auch wenn jeder Elternteil von Gesetzes wegen eigentlich drei Tage dem Arbeitsplatz fernbleiben könnte. Doch weder mein Mann noch ich haben davon jemals wirklich Gebrauch gemacht. Verständnis unserer Arbeitgeber? Fehlanzeige. Einmal kam ich zwei Stunden zu spät auf die Redaktion, weil ich auf Betreuung für meine fiebernde Tochter warten musste. Die Antwort meines Chefs auf meine E-Mail, dass ich trotzdem kommen würde, war kurz: „I am not amused“ stand da geschrieben. Statt zu Hause zu bleiben haben wir uns mit zusätzlicher externen Hilfe durch die Woche gehangelt – so gut es eben ging.

Aber auch Phasen grosser Arbeitsbelastung, die Arbeitnehmer auch schon ohne Familie stark fordern, sind für Eltern manchmal schwierig zu bestehen. Nach der Erwerbsarbeit kann man seine Batterien weder beim Sport, bei einem Feierabendbier oder meinetwegen bei einem Fernsehabend aufladen. Stattdessen warten die Kinder in der Krippe, die auch müde und hungrig sind und Zuwendung und liebevolle Eltern brauchen. Zuhause brennt kein Licht, kein Essen ist bereit und in Windeseile muss dieses auf dem Tisch stehen. 

Ich für mich habe den Schlussstrich gezogen, als die Betreuungssituation für unsere erste Tochter so schlecht geworden war, dass ich ihr (und mir) dies nicht weiter zumuten wollte. Nach Krippe, Nanny, Tagesmutter war Schluss. Darunter hatte nicht nur die Motivation im Job gelitten, auch die Doppelbelastung zwischen Haushalt und Erwerbsarbeit belastete mich stark. Seit ich weniger und selbstbestimmter arbeiten kann, verdiene ich zwar deutlich weniger, aber meine Tochter und ich konnten wieder Boden finden – und somit auch die ganze Familie.

Wie war das früher?

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kann ich mich nicht erinnern, dass meine Eltern oder jene meiner Freunde je so zu kämpfen hatten wie unsere Generation. Ist meine Erinnerung getrübt, oder war es früher wirklich anders? Ich habe die Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm gefragt, und sie pflichtet mir bei. Sie beobachtet auch, dass heutige Eltern schneller am Limit laufen. Es werde aber auch mehr von ihnen verlangt als noch in den 1980er Jahren. Eltern seien heute verantwortlich für den Erfolg oder Misserfolg ihrer Erziehung. Wer jedoch alles „richtig“ machen wolle, sei für einen ungesunden Perfektionismus gefährdet. Auf ihrem Blog und in ihrem Buch „Lasst die Kinder los! Warum entspannte Erziehung lebenstüchtig macht“ beschreibt Stamm auch die hohen und teils unklaren gesellschaftlichen Standards, die Mütter (und zunehmend auch Väter) erfüllen müssen. Krippe – ja oder nein? Falls ja, ab wann und wie lange? Darf oder soll eine Mutter in den ersten drei Jahren arbeiten? Wie viel Prozent? Die Meinungen im Land sind geteilt. Jeder hat eine andere Überzeugung: die eigene Mutter, die Freundinnen, die Schwiegermutter, die Kinderärzte und die Verfasser von Ratgeber oder Mama-Blogs (wie diesem hier). Die hohen Erwartungen an sich als Mutter gipfeln nicht selten auch in einem Gefühl der Überforderung, da man den eigenen oder fremden Erwartungen nicht entsprechen kann.

An sich denken

In einer Zeit, in der wir Vieles von unserem Inneren nach aussen projizieren, in der wir Anerkennung und Freude über möglichst viele Likes auf Instagram, Facebook oder Twitter sammeln, tut es gut, sich wieder zu sammeln. Was tut mir als Frau und Partnerin wirklich gut? Von wem oder was bekomme ich Wertschätzung? Was ist der tiefere Sinn meines Lebens? Was brauche ich, damit ich meiner Familie Liebe und Geduld schenken kann? Manchmal ist es nur ein Spaziergang im Wald, eine Stunde Schwimmen, zwei Lektionen Yoga oder ein Wochenende ohne Kinder. Oder eben die Gewissheit, dass es in der vermeintlich perfekten Welt der anderen genauso Unsicherheiten, schlaflose Nächte und unpassende Outfits gibt, auch wenn man diese nicht zeigt. Und eben, man muss und kann nicht alles gleichzeitig haben. Es gibt Eltern, die schaffen das. Und dann gibt es ganz viele, die sich eingestehen: „Ich kann nicht mehr.“ Und, ganz ehrlich – das sollte nicht länger ein Tabu bleiben.

 

Kategorien: Familie

3 Kommentare

Christine · 29. Januar 2018 um 17:21

Ich fühle mit. Wenn es nur mehr zugeben würden. Ich komme mir so außerirdisch vor, wenn ich es ungerecht und unsinnig finde, den Kopfstand mit Spagat zu machen oder rückständig und kurzfristig gedacht. Die neuen Steuerzahler dienen ja erst, wenn sie produktiv werden. Vorher sind sie Privatvergnügen und Wirtschaftsbremsen, die ihre gut ausgebildeten Produzenten vom Arbeiten abhalten. Und werden sie früh auf sich allein gestellt fremdbetreut bekommen sie in der Schule Empathiekurse, in welchen sie lernen, wie zerbrechlich und versorgungsintensiv sie als Baby waren. Verdrehte Welt. Liebe und Geborgenheit kann man doch nicht kaufen. Gute Beispiele, wie man sich um seine Mitmenschen kümmert und mit ihnen fühlt müssen als Kurs angeboten werden. Und Zeit?! Zeit is relativ. Aber mal ehrlich, morgens müde und abends auch. Der Tag ist gelaufen. Müßiggang und Geduld, dafür ist keine Zeit. Was so ne Mutter alles in einen Tag packen muss… wenn das nicht frustet. Das geht anders. Work life balance muss auch für die Familie gelten. Ist ja nicht für ewig, aber nachhaltig. Eine gesunde Gesellschaft, auch emotional, hat Zukunft. Go for it.

Alexa · 26. März 2018 um 16:33

Wenn man es zu gibt, wo bekommt man hilfe?
Meistens fehlt die Kraft etwas selber zu ändern. Und dann kommen schon wieder die Kommentare ohne fleiss kein preis:/

Tess · 22. Juli 2018 um 17:33

Mein Sohn kommt jetzt in den Kindergarten. Als ich den Bescheid in der Post hatte, war ich erst einmal geschockt. Dann erleichtert, denn ab jetzt würde die Betreuung um ein Vielfaches günstiger. Leider haben die letzten vier Jahre bei mir aber fast einen Totalschaden hinterlassen – Job, Beziehung, Selbstvertrauen, Freundschaften und Hobbies, alles den Bach runter. Wenigstens bin ich noch gesund (Holz alange).
Ich schätze, wir haben es falsch gemacht, aber punkto Unterstützung und Verständnis kam aus dem Umfeld – insbesondere Arbeitgeber – so ziemlich gar nichts. Man will es immer richtig machen und nimmt sich dann gar keine Zeit mehr für sich selbst. Was mich bis jetzt immer wieder frustriert, ist, dass man es als Mutter eigentlich gar keinem recht machen kann. Die Konservativen maulen, dass wir überhaupt arbeiten gehen, „um uns Ferien leisten zu können“ (so einfach ist es nicht, wir Mütter kümmern uns heute selber um die Altersvorsorge, siehe Scheidungsrate…), die Väter maulen, wenn wir den Haushalt trotz Teilzeit nicht perfekt hinkriegen (putz doch selber!), die Miete sollen wir aber gefälligst zur Hälfte mittragen, die Tagesmutter prophezeiht, dass das Kind emotional gestört sein wird, weil wir nach acht oder 12 Monaten Mutterschaftsurlaub „schon“ wieder arbeiten gegangen sind.

Macht wenig Lust auf eine neue Beziehung. Einzig mein Sohn ist mein Sonnenschein. Ich wünschte mir nur, er wäre nicht das einzige Glück, das ich im Moment noch habe.

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