«Lilith! Fjonn! Was muss ich tun, damit ihr am Tisch nicht immer herumturnt?» Aus sicherer (Kita-) Quelle weiss ich, dass meine Kids genau das eigentlich könnten. Aber auf diese Knigge-Unterstützung werde ich bald sowieso verzichten müssen, da meine Grosse diesen Sommer in den Kindergarten kommt. Ich habe keine Ahnung, warum ich dachte, damit wird in punkto Kinderbetreuung alles leichter. 

Betreuungsangebote und organisatorische Nöte berufstätiger Eltern

Als die Einladung zum Informationsanlass für werdende Kindergarteneltern ins Haus flatterte, war ich jedenfalls gespannt. Wir gingen hin. Und lernten: Das Kind ist ab sofort an fünf Tagen die Woche jeweils für ein paar Stunden im Kindergarten. Kindergartenzeiten, während derer man einen Kaffee trinken, aber sicher nicht arbeiten gehen kann. Die Lösung liegt nahe und wird in unserer Gemeinde angeboten: Tagesschule. Die Kindergartenkinder werden von der Tagesschule in den Kindergarten begleitet, von dort zurück zum Zmittag in die Tagesschule, dann wieder in den Kindergarten, um am Nachmittag ein letztes Mal in die Tagesschule eskortiert zu werden. Das ist sicher wunderbar für die Fitness. Meinem Laienverständnis nach sind diese ständigen Wechsel von Bezugspersonen, Gspänlis und Orten für ein vierjähriges Kind jedoch etwas viel.

Während der 13 Wochen Schulferien muss ich mir darüber keine Sorgen machen, da ist die Tagesschule nämlich zu. Dies sei nicht wirklich ein Problem, meinte der zuständige Gemeinderat. Das Bedürfnis nach einer Ferienbetreuung bestünde nämlich gar nicht. Nachdem er diese Aussage noch einmal gemacht hatte, war das einer anwesenden Mutter zu viel. Sie meldete sich und schnaubte: «Das stimmt schlicht nicht!» Dem Gemeinderat war es etwas peinlich und er bot der Mutter an, die Sache unter vier Augen zu erörtern. Mir ist nicht bekannt, ob er bei der Gelegenheit auch gleich erklärt hat, warum es für berufstätige Eltern kein Problem ist, wenn Kind Nr. 2 an einen anderen Ort in die Kita gebracht werden möchte.

Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung

Rettung naht aber. Das eidgenössische Parlament hat in seiner eben beendeten Sondersession ein Trostpflästerchen auf die organisatorischen Sorgen von berufstätigen Eltern geklebt. Mit ganzen 14.3 Millionen Franken unterstützt der Bund Projekte, die das Betreuungsangebot besser auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern abstimmen. Das ist schön. Denn: In der Schweiz übernehmen die Eltern im Schnitt rund zwei Drittel der Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung; im angrenzenden Ausland zahlen die Eltern einen Drittel. Weniger schön waren die Gegenargumente im Parlament. Ein Parlamentarier beschuldigte die berufstätigen Mütter, mit Hilfe von Staatsgeld über 50-Jährigen den Job wegzunehmen. Nein, diese Logik verstehe auch ich nicht. Ein weiterer meinte, das Problem liege an den zu hohen Betriebs- und Regulierungskosten. Dass diese kaufkraftbereinigt in der Schweiz nicht höher als anderswo sind, betrachtete der Mann wohl als fake news. Eine Nationalrätin meinte salopp, dass diejenigen Eltern, welche kein Geld für die Kinderbetreuung ausgeben wollen, sich frei fühlen sollen, die Verwandten um Hilfe zu bitten. Dass auch niemand vorher auf diese Idee gekommen ist – also so was.

Betreuungskosten für Eltern senken

Die Reaktionen in den Online-Kommentaren zu den Medienartikeln waren noch absurder. Ich verschone euch mit Details, möchte euch aber ein vorherrschendes Gefühl nicht vorenthalten: Neid. Neid auf das angeblich so hohe Einkommen von Doppelverdienern. Neid auf das lockere Leben berufstätiger Eltern, welche sich vor der wirklich anstrengenden Aufgabe der Kinderbetreuung drücken. Neid sogar auf die Mutter, die geschrieben hat, sie müsse 60‘000 Franken im Jahr für die Kinderbetreuung ausgeben. Dass zahlreiche Studien den volkswirtschaftlichen Nutzen von familienergänzender Kinderbetreuung belegen, ist in dieser Neidkultur irrelevant.

Betreuung ausserhalb der üblichen Öffnungszeiten

Nun ja, eben, die Neidkultur hat sich im Parlament nicht durchgesetzt. Das Geld wird in den nächsten fünf Jahren ausgegeben. Es gibt aber einen sehr schalen Nachgeschmack. Ob es dem Parlament wirklich um die Kinder ging – oder nicht viel eher um den Komfort der Arbeitgeber? Eine besser ausgebaute Kinderbetreuung macht es für Arbeitgeber beispielsweise einfach, auch von Eltern Überstunden bis in die Nacht verlangen zu dürfen. Längere Betreuungszeiten sollen aber nicht dazu dienen, sondern dazu, dass auch ein Pflegefachmann oder eine Polizistin den Beruf nicht aufgeben muss. Oder nicht gezwungen ist, ständig zu balancieren. Und damit entspannter ist – was wiederum für die Kinder gut ist. Um die Kinder geht es nämlich, sollte man meinen. Ein Antrag, das Kindeswohl ausdrücklich zu erwähnen, um dies zu verdeutlichen, scheiterte im Parlament jedoch deutlich.

Meinen Kindern kann das egal sein. Sie brauchen jetzt eine Lösung. Und da ich weder meine Tochter in den Ferien in einen Kniggekurs schicken noch meinen Sohn selber in die Kita laufen lassen kann, heisst diese Lösung Privatkindergarten mit integrierter Kita. Mangels Fähigkeit, den Vorschlag meiner Tochter zur Erzielung besserer Tischsitten umzusetzen: „Du musst halt zaubern“.

 

call of action Blog jobsfuermama

finde deinen Traumjob auf jobsfuermama


2 Kommentare

Petra · 21. Mai 2017 um 22:05

Schon wieder ein interessanter Artikel. Vielen Dank an das jobsfuermama Team

Zwillingsmutter im Spagat zwischen Kids und Job · 23. Mai 2017 um 17:04

Der Artikel ist wunderbar und schreibt mir aus dem Herzen! Herzlichen Dank!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert