Nie hätte ich gedacht, wie wichtig Solidarität unter Berufskolleginnen ist: Meinen beruflichen Einstieg nach dem Studium absolvierte ich bei einer internationalen Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht. Wir waren rund fünf angehende Anwälte und ebenso viele Anwältinnen. Dies entsprach der Geschlechterverteilung im Studium, in dem die Frauen sogar etwas in der Überzahl waren. Erst nach der Anwaltsprüfung und meinem Wechsel in den Journalismus fiel mir auf, dass ich mich als Frau in der Berufswelt auf einmal in der Minderheit befand.

An der morgendlichen Redaktionssitzung war neben mir jeweils nur eine erfahrene Berufskollegin (und ebenfalls Anwältin) sowie unsere Produzentin zugegen, der Rest waren Männer. Auf der gesamten Redaktion arbeiteten eine Handvoll Frauen unter dreissig. Die beste Erfahrung, die ich damals machen durfte, betraf den Umgang jener Kolleginnen untereinander: Sie behandelten sich gegenseitig extrem freundlich und unterstützend. Es gab eine ungeschriebene Regel, einander den Rücken zu stärken. Wir trafen uns regelmässig, verrieten uns gegenseitig unsere Saläre und an den Redaktionssitzungen ermunterten wir uns. Ich hatte diese Frauensolidarität nicht erwartet, aber es freute – und prägte mich deshalb umso mehr.

In der Newsredaktion wurden in den folgenden Jahren viele neue, junge Frauen eingestellt, das Verhältnis Männer-Frauen veränderte sich wenigstens im Newsroom zugunsten der Frauen (selbst in der männerlastigen Inlandredaktion, in der ich arbeitete, stieg der Anteil). Leider ging damit auch die einstige Solidarität irgendwie verloren. Plötzlich spürte ich mehr Rivalität untereinander – Frausein allein war kein Grund mehr zusammenzuhalten.

Warum die Berufskollegin wichtig ist

Das ist ein normales Phänomen: Sobald die Konkurrenz grösser wird, sinkt die Solidarität innerhalb einer Gruppe. Trotzdem halte ich es für äusserst wichtig, dass Frauen einander unterstützen anstatt sich im Konkurrenzkampf zu zermürben: Zum einen ebnen erfolgreiche Berufsfrauen nachkommenden Generationen den Weg. Vorbilder sind äusserst wichtig, damit ihnen nachgeeifert werden kann. Ist der Weg schon einmal vorgebahnt, lässt er sich leichter ein zweites Mal begehen, da Vorurteile bereits abgebaut worden sind.

Zum andern sitzen (gleichaltrige) Kolleginnen im selben Boot: Nicht selten wird Frauen weniger zugetraut, ihnen werden weniger wichtige Aufgaben zugeteilt. Der Erfolg einer Berufskollegin kann auch bei den Kollegen Vertrauen schaffen. Spätestens wenn es um die Familiengründung geht, ist es besonders wichtig für die Kolleginnen die Stellung zu halten, wenn diese im Mutterschaftsurlaub sind. Auch nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz, wenn durch eine allfällige Teilzeitarbeit die Präsenz am Arbeitsplatz sinkt, die Kinder krank sind oder Frau statt zum Feierabendbier zur Krippe rast, hilft es, wenn andere im Team Verständnis haben, weil sie das Dilemma der Vereinbarkeit aus eigener Erfahrung kennen. Denn spätestens nach Geburt lösen sich die Illusionen auf, dass „alles geht“. Anderen Frauen bewusst den Rücken zu stärken funktioniert beispielsweise auch, wenn man die Leistung einer anderen Frau in der Sitzung lobt. Noch viel besser ist es natürlich, wenn dies gegenseitig geschieht.

Neue Aufgaben, gleiche Solidarität

Frauen in Kaderpositionen stellen manchmal lieber Männer ein, weil sie mit ihnen besser klarkommen und sie keine Konkurrenz darstellen. Künstlich in der Minderheit zu bleiben, sichert nämlich auch Privilegien. Hier sollte unbedingt ein Umdenken stattfinden.

Gedanken wie „die soll es nicht einfacher haben als ich“, finde ich ganz besonders schändlich. Frauengenerationen vor uns mussten für Rechte kämpfen, die für uns heute selbstverständlich sind, beispielsweise studieren oder abstimmen zu dürfen. (Dazu übrigens empfehlenswert der Film Die göttliche Ordnung, der neu in den Kinos läuft.) Jede Generation hatte ihre Aufgabe – unsere Mütter kämpften unter anderem für gleichberechtigte Ausbildungsmöglichkeiten. Unsere Generation junger Mütter ist nun daran, trotz Familie, diese Ausbildung im Berufsleben auch wirklich anwenden zu können. Damit das gelingt, sollten Frauen – und besonders die Mütter – zusammenhalten!

 
 

#VORSICHTKLUG

Ein tolles Beispiel von weiblicher Solidarität hat sich kürzlich auf Twitter abgespielt: Die Ökonomin und Journalistin Patrizia Laeri wurde auf dem aktuellen Cover des Magazins Tele abgebildet, darunter war der Titel zu lesen: „Vorsicht, kluge Frau! – sieht sie dann auch noch so gut aus wie Patrizia Laeri («SRF Börse»), wird manches Weltbild erschüttert“.

Die Zeitschrift wollte damit eigentlich ein Kompliment machen – nur leider ging der Schuss nach hinten los. Laeri bedankte sich via Twitter zwar fürs Kompliment, fragte aber gleichzeitig, ob man bei einem Mann wohl auch so titeln würde. Würde man wohl nicht – das war die Antwort, welche postwendend auf zahlreichen Kanälen publiziert wurde. Spannend war die darauffolgende Aktion der Medienfrauen.ch, die unter dem Hashtag #vorsichtklug Frauen aus der Medienbranche aufforderten, ihre klugen Kolleginnen aufzuzählen. Innert kurzer Zeit kamen viele Namen auf Twitter und Facebook zusammen – und für einmal zeigte sich, dass die Frauensolidarität in der Medienbranche doch viel besser ist, als ich annahm!

P.S. Wer übrigens diese klugen Frauen aus der Medienbranche sucht, findet diese über www.medienfrauen.ch, eine Datenbank von über 100 Frauen. Seit #vorsichtklug habe ich mich dort nun auch registriert, denn ein gutes Netzwerk ist das A und O als berufstätige Mutter. Doch dazu ein anderes Mal mehr.

 


1 Kommentar

alex boller · 11. August 2019 um 9:38

Solidarität statt Konkurrenzdenken
8. MÄRZ 2017
Nie hätte ich gedacht, wie wichtig Solidarität unter Berufskollegen ist: Meinen beruflichen Einstieg nach dem Studium absolvierte ich bei einer internationalen Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht. Wir waren rund fünf angehende Anwältinnen und ebenso viele Anwälte. Dies entsprach der Geschlechterverteilung im Studium, in dem die Männer sogar etwas in der Überzahl waren. Erst nach der Anwaltsprüfung und meinem Wechsel in den Journalismus fiel mir auf, dass ich mich als Mann in der Berufswelt auf einmal in der Minderheit befand.
An der morgendlichen Redaktionssitzung war neben mir jeweils nur ein erfahrener Berufskollege (und ebenfalls Anwalt) sowie unser Produzent zugegen, der Rest waren Frauen. Auf der gesamten Redaktion arbeiteten eine Handvoll Männer unter dreissig. Die beste Erfahrung, die ich damals machen durfte, betraf den Umgang jener Kollegen untereinander: Sie behandelten sich gegenseitig extrem freundlich und unterstützend. Es gab eine ungeschriebene Regel, einander den Rücken zu stärken. Wir trafen uns regelmässig, verrieten uns gegenseitig unsere Saläre und an den Redaktionssitzungen ermunterten wir uns. Ich hatte diese Männersolidarität nicht erwartet, aber es freute – und prägte mich deshalb umso mehr.
In der Newsredaktion wurden in den folgenden Jahren viele neue, junge Männer eingestellt, das Verhältnis Frauen-Männer veränderte sich wenigstens im Newsroom zugunsten der Männer (selbst in der frauenlastigen Inlandredaktion, in der ich arbeitete, stieg der Anteil). Leider ging damit auch die einstige Solidarität irgendwie verloren. Plötzlich spürte ich mehr Rivalität untereinander – Mannsein allein war kein Grund mehr zusammenzuhalten.

Warum der Berufskollege wichtig ist
Das ist ein normales Phänomen: Sobald die Konkurrenz grösser wird, sinkt die Solidarität innerhalb einer Gruppe. Trotzdem halte ich es für äusserst wichtig, dass Männer einander unterstützen anstatt sich im Konkurrenzkampf zu zermürben: Zum einen ebnen erfolgreiche Berufsmänner nachkommenden Generationen den Weg. Vorbilder sind äusserst wichtig, damit ihnen nachgeeifert werden kann. Ist der Weg schon einmal vorgebahnt, lässt er sich leichter ein zweites Mal begehen, da Vorurteile bereits abgebaut worden sind.
Zum andern sitzen (gleichaltrige) Kollegen im selben Boot: Nicht selten wird Männer weniger zugetraut, ihnen werden weniger wichtige Aufgaben zugeteilt. Der Erfolg eines Berufskollegen kann auch bei den Kolleginnen Vertrauen schaffen. Spätestens wenn es um die Familiengründung geht, ist es besonders wichtig für die Kollegen die Stellung zu halten, wenn diese im Vaterschaftsurlaub sind. Auch nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz, wenn durch eine allfällige Teilzeitarbeit die Präsenz am Arbeitsplatz sinkt, die Kinder krank sind oder Mann statt zum Feierabendbier zur Krippe rast, hilft es, wenn andere im Team Verständnis haben, weil sie das Dilemma der Vereinbarkeit aus eigener Erfahrung kennen. Denn spätestens nach Geburt lösen sich die Illusionen auf, dass „alles geht“. Anderen Männer bewusst den Rücken zu stärken funktioniert beispielsweise auch, wenn man die Leistung eines anderen Mannes in der Sitzung lobt. Noch viel besser ist es natürlich, wenn dies gegenseitig geschieht.

Neue Aufgaben, gleiche Solidarität
Männer in Kaderpositionen stellen manchmal lieber Frauen ein, weil sie mit ihnen besser klarkommen und sie keine Konkurrenz darstellen. Künstlich in der Minderheit zu bleiben, sichert nämlich auch Privilegien. Hier sollte unbedingt ein Umdenken stattfinden.
Gedanken wie „der soll es nicht einfacher haben als ich“, finde ich ganz besonders schändlich. Männergenerationen vor uns mussten für Rechte kämpfen, die für uns heute selbstverständlich sind, beispielsweise studieren oder abstimmen zu dürfen. Jede Generation hatte ihre Aufgabe – unsere Väter kämpften unter anderem für gleichberechtigte Ausbildungsmöglichkeiten. Unsere Generation junger Väter ist nun daran, trotz Familie, diese Ausbildung im Berufsleben auch wirklich anwenden zu können. Damit das gelingt, sollten Männer – und besonders die Väter – zusammenhalten!

#VORSICHTKLUG
Ein tolles Beispiel von männlicher Solidarität hat sich kürzlich auf Twitter abgespielt: Der Ökonom und Journalist Peter Grunder wurde auf dem aktuellen Cover des Magazins Tele abgebildet, darunter war der Titel zu lesen: „Vorsicht, kluger Mann! – sieht er dann auch noch so gut aus wie Peter Grunder («SRF Börse»), wird manches Weltbild erschüttert“.
Die Zeitschrift wollte damit eigentlich ein Kompliment machen – nur leider ging der Schuss nach hinten los. Grunder bedankte sich via Twitter zwar fürs Kompliment, fragte aber gleichzeitig, ob man bei einer Frau wohl auch so titeln würde. Würde man wohl nicht – das war die Antwort, welche postwendend auf zahlreichen Kanälen publiziert wurde. Spannend war die darauffolgende Aktion der Medienmänner.ch, die unter dem Hashtag #vorsichtklugMänner aus der Medienbranche aufforderten, ihre klugen Kollegen aufzuzählen. Innert kurzer Zeit kamen viele Namen auf Twitter und Facebook zusammen – und für einmal zeigte sich, dass die Männersolidarität in der Medienbranche doch viel besser ist, als ich annahm!
P.S. Wer übrigens diese klugen Männer aus der Medienbranche sucht, findet diese überwww.medienmänner.ch, eine Datenbank von über 100 Männern. Seit #vorsichtklug habe ich mich dort nun auch registriert, denn ein gutes Netzwerk ist das A und O als berufstätiger Vater. Doch dazu ein anderes Mal mehr.

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