«Lue, das isch en Träppe!» «Lilith, uf Bärndütsch seit mä nid Träppe!» Vielleicht, weil mein eigenes Berndeutsch unter mehr als 20 Jahren in der Innerschweiz gelitten hat, bin ich hier gar nicht tolerant. Glücklicherweise spricht meine Tochter aber meistens ein lupenreines Berndeutsch, sicherlich auch dank ihrer Kita- und Kindergartengspänlis: «Was in den ersten drei Lebensjahren geschieht, hat wesentlichen Einfluss auf die spätere Bildung und das Leben eines Menschen», so die Schweizer Unesco-Kommission.

Hapert es bei den Eltern jedoch nicht nur am lokalen Dialekt, sondern können sie ihre Kinder, aus welchen Gründen auch immer, überhaupt nicht auf die Schule, ihre berufliche und soziale Zukunft vorbereiten, ist eine Kita also noch mehr Gold wert als sie dies für uns berufstätige Eltern und unsere Kinder ohnehin schon ist: Sie gibt den Kindern die Chance auf die gleichen Startbedingungen. Und wer erfolgreich in die obligatorische Schulzeit startet, hat grössere Chancen auf einen Abschluss, mit dem ein vom Staat und damit ein von unseren Steuern unabhängiges Leben möglich ist. Eigentlich eine einfache Rechnung… 

Erwerbstätigkeit kann sich nicht jeder leisten:

Deren Resultat doch nur sein kann, dass Kitas ohne Wertediskussion staatlich finanziert sein sollten. Irrtum. Wir Eltern in der Schweiz finanzieren unsere Kitaplätze grösstenteils privat. Teuer sind dabei nicht die tiefen Löhne des Kitapersonals oder die angebliche Überregulierung. Kaufkraftbereinigt sind diese Kosten nicht höher als jene in den Nachbarstaaten. Einsame Spitze ist aber der Privatanteil, den wir Eltern berappen. Mein Partner und ich geben beispielsweise einen Betrag aus, mit dem wir uns jährlich einen neuen SUV leisten könnten. Ich kann das verschmerzen, ich habe eh keinen Fahrausweis. Andere aber dürften das mit weniger Humor sehen. Das Resultat ihrer Rechnung ist, dass sie sich die Berufstätigkeit beider Elternteile nicht leisten können: Die Kosten der Kinderbetreuung und die Steuerprogression fressen das zweite Einkommen mehr als auf.

Das scheint so gewollt zu sein. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf bei der frühkindlichen Förderung und beantragt eine entsprechende parlamentarische Initiative zur Abschreibung. Weitgehend als selbst zu bezahlende Privatsache sieht auch der Kanton Thurgau die Frühförderung an und will deswegen sogar die Bundesverfassung ändern lassen damit der Volksschulunterricht nicht mehr unentgeltlich ist: Wessen Kind bei Kindergarteneintritt noch nicht anständig Deutsch kann, der soll den Deutschunterricht selbst bezahlen.

Doch eigentlich gute Voraussetzungen:

Abgesehen davon, dass die Leidtragenden die Kinder sind, die weder für ihre Eltern noch für die Politik was können: Wie absurd ist es denn, die Kosten der familienergänzenden Betreuung grösstenteils den Familien zu überlassen und diese Familien dann zu bestrafen, wenn sie sich diese Betreuung nicht leisten können? Immerhin hat derselbe Kanton Thurgau jüngst den Steuerabzug für die Kosten der familienexternen Betreuung vervielfacht. Dasselbe ist für die Bundessteuer geplant, eben hat der Nationalrat den Steuerabzug für die externe Kinderbetreuung auf 25’000 CHF erhöht. Aber nicht ohne Getöse von links und rechts: Den einen stiess sauer auf, dass von diesem Abzug auch Gutverdienende profitieren. Na danke schön. Wie soll bei so einer Logik der Anteil der Frauen in Kaderpositionen steigen? Die anderen beklagten die finanzielle Benachteiligung der Frau, die zuhause ihre Kinder betreut. Schlicht falsch, die Rechnung. Aber viel absurder: Wenn es dann darum geht, geschiedene Mütter zu unterstützen, die sich wegen des langen Erwerbsunterbruchs nicht selber finanzieren können, pocht dieselbe Seite auf die Selbstverantwortung.

Die Krux der Selbstverantwortung:

Selbstverantwortung ist eine gute Sache. Mit ideologischen Argumenten die Selbstverantwortung zu verunmöglichen, weniger. Selbstverantwortung kann nämlich nur übernehmen, wer eine echte Wahl hat. Die haben wir aber nicht, solange wir den Löwenanteil der familienexternen Kinderbetreuung privat finanzieren müssen.

Ich bin jedenfalls gespannt. Wir haben eben die Klassenliste für unsere zwei Kids erhalten. Die Namen bilden möglicherweise den ganzen Globus ab, aber offen gestanden müsste ich die Namen googeln um genau zu wissen woher diese stammen. Meine Tochter hat meine sprachliche Intervention übrigens nicht gross beeindruckt: «Allora. Questa è una treppa.»


9 Kommentare

Brenda · 30. März 2019 um 21:33

Du hast mir aus der Seele geschrieben!

Vera · 30. März 2019 um 22:33

Danke, das freut mich zu lesen! Ich bleibe jedenfalls dran.

Alexandra · 1. April 2019 um 9:53

Hallo Vera
Nach meinen Fragen zu Formalitäten für Reisen alleine mit Kids, lese ich nun hier wieder von dir! 🙂 Superspannend und leider zu wahr….wir CH schneiden da im Vergleich unglaublich schlecht ab, schlimm!
Herzlichen Dank für den spannenden Artikel!

    Vera · 1. April 2019 um 18:22

    Hansina in allen Gassen 😉 Merci für die motivierende Rückmeldung – und: Wir sind viele, also können wir was ändern!

Justi · 1. April 2019 um 17:57

Mein Mann hat meine Berufstätigkeit ein paar Jahre „finanzieren müssen“, als ich als junge Mutter (kurz nach dem Studium) nach den Geburten arbeiten ging. Wir haben es als Investment in unsere Zukunft gesehen im Wissen, dass sich das ändern.

So kann man es natürlich wirklich machen, dass motivierte Frauen zu Hause bleiben, weil der Mann ja genug verdient. Ist ja wie im Mittelalter… Und für Expats oder ausländischen Fachkräfte absolut nicht attraktiv, so nebenbei erwähnt.

    Vera · 1. April 2019 um 21:41

    Danke für diesen Beitrag! Dass jemand eine Berufstätigkeit finanzieren muss sagt wohl schon alles …

Maria Rita · 2. April 2019 um 10:09

Eine Mutter bleibt bei ihren Kindern, betreut sie selber und gibt nicht weg, weil sie Karriere machen will.
Warum soll eine Karrierenfrau, die vielleicht mit einem Karrieren Mann zusammen ist, noch Geld für das Betreun ihrer Kinder erhalten, wenn eine Frau, die ihre Kinder selber grossziehen möchte, nichts erhält, keine finantielle Hilfe von niemanden… obwohl sie Opfer trägt und auf vieles verzichtet (der Mann verdient nicht immer für 2),
weil sie für ihre Kinder da sein will und sie in ihren Fortschritten begleiten will? Diese kostbare Zeit kommt nicht mehr zurück. Jeder soll entscheiden, was besser ist für sich, aber man darf nicht Mütter, die sich um ihre Kindern kümmern wollen, benachteiligen.

    Vera · 2. April 2019 um 12:44

    Danke für Ihren Beitrag. Aufgrund Ihrer letzten Aussage gehe ich davon aus, dass wir beide den Müttern zugestehen, gute Mütter sein zu können unbeachtet dessen, ob sie Vollzeit oder Teilzeit zu ihren Kindern schauen.

    Wenn dies so ist, sollten Mütter wie Väter die Wahl haben, ob sie neben der Familienarbeit auch erwerbstätig sein möchten. Diese Wahl haben jedoch viele nicht.

    Jede erwerbstätige Mutter und jeder erwerbstätige Vater erhöht das Steuersubstrat und vermindert so auch die Steuerbelastung der Nichterwerbstätigen. Das ist in Ordnung, ich will meine Steuergelder auch denen zukommen lassen, die zuhause bleiben und knüpfe das nicht daran, ob diese auch die gleichen Werte wie ich vertreten.

    Was volkswirtschaftlich nicht sinnvoll ist, ist jedoch, dass die Erwerbstätigkeit so unattraktiv ist, dass viele darauf verzichten (müssen). Warum, habe ich in meinem Blogpost dargelegt.

Solomon · 28. Dezember 2019 um 7:43

Zusammenleben Gesund leben – gesund bleiben Geld, Recht und Beruf Krankenversicherung Vaterseiten Links Je nach Agentur, welche die Nanny vermittelt, liegt der Stundenlohn zwischen 25 und 35 Franken. Die Hohe des Lohnes ist von der Vorbildung, der Berufserfahrung und der Anzahl zu betreuender Kinder abhangig. Je nach Wohnregion konnen die Stundenansatze etwas hoher oder etwas tiefer liegen. Lebt die Betreuerin bei der Familie, werden Kost und Logis vom Lohn abgezogen. Wenn Sie sich ohne Unterstutzung einer Agentur eine Nanny suchen, darf der Mindestlohn fur Hausangestellte nicht unterschritten werden.

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