„Das nervt mich total, wenn du immer so spät kommst, Mami!“ schimpft meine Tochter mit mir. Da ein Termin länger gedauert hat, als erwartet, habe ich wieder einmal den Zug verpasst und treffe erst um 17.55 Uhr in der KITA ein. Alle anderen Kinder wurden schon abgeholt. Die Betreuerin schildert mir den Tagesablauf sehr kurz und bündig, denn auch sie möchte nach Hause gehen. Familie und Beruf vereinbaren ist möglich.  Aber ohne Flexibilität im Job ist es kein Kinderspiel. 

Familie und Beruf vereinbaren heute

Am Morgen muss ich jeweils aus dem Haus, bevor meine Kinder aufwachen. In den frühen Morgenstunden ist mein Mann für die Kinderbetreuung zuständig.

Nur wenn ich früh im Büro bin, schaffe ich es 8.4 Stunden präsent zu sein und meine Kinder pünktlich in der KITA und im Hort abzuholen. Im Büro haben wir alle eine Karte, mit der wir uns an- und abmelden müssen. Das gilt sogar für die Mittagspause. Wenn die Soll-Zeiten nicht eingehalten werden, erhalten wir Ende Monat eine Warnung vom HR.

Der Fakt, dass ich während meines Arbeitsweges auch per Handy E-Mails beantworte und abends regelmässig mein Notebook nochmals einschalte, oder auch Mal mit einem amerikanischen Kunden telefoniere, interessiert keinen. Was hingegen sicherlich auffällt ist, dass ich immer „frühzeitig“ das Büro verlasse, während viele meiner Kollegen noch mitten in der Arbeit stecken.

Familie und Beruf vereinbaren morgen

Wie werden die Arbeitszeiten meiner Töchter sein, wenn sie das erwerbstätige Alter erreicht haben? Wird die Präsenzzeit von 8.4 Stunden im Büro auch für sie noch eine Herausforderung sein, wenn ihre Kinder eines Tages extern betreut werden? Ich bin mir fast sicher, dass dem nicht so sein wird. Zum Glück!

Denn durch den demographischen und gesellschaftlichen Wandel braucht es zunehmend Lösungen, die berücksichtigen, dass Menschen ausserhalb der Erwerbsarbeit noch andere Lebensaufgaben und -ziele haben. Dies betrifft nicht nur Eltern, sondern beispielsweise auch ältere Angestellte, die ihren Arbeitseinsatz anpassen müssen, oder auch Angestellte, die sich weiterbilden um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Digitalisierung führt zu flexibleren Arbeitszeiten. Work-Life-Balance wird zum Work-Life-Blend. Da wir faktisch immer verfügbar sind, wird es schwieriger, Privat- und Geschäftsleben komplett voneinander zu trennen. Dies birgt gewisse Risiken, aber auch grosse Vorteile. So gibt es bereits jetzt immer mehr Menschen, die tagsüber weniger, dafür  abends im Homeoffice arbeiten.

Die Generation Y, welche es sich gewohnt ist, von überall aus zu arbeiten, hat entsprechende Ansprüche an den Arbeitgeber: So überrascht es nicht, dass flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sogar zunehmend wichtiger sind als der Lohn.

Das klassische Office hat langfristig wohl ausgedient. Denn genauso wie der Anspruch an zeitliche Flexibilität, wächst auch der Anspruch an örtliche Flexibilität. Für immer mehr Menschen in der Schweiz sind Wohnort und Arbeitsort nicht mehr identisch. Der Trend zu «auf dem Land leben und in der Stadt arbeiten» hat in den letzten Jahren stark zugenommen und somit auch die Zeit, die für den Arbeitsweg benötigt wird. Die Leerzeiten des Pendelns können durch Telearbeit und Home-Office Tage verkleinert und somit die Effizienz des Arbeitnehmers verbessert werden.

 

Schlussfolgerung

Feste Arbeitszeiten werden seltener, mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeitmodelle gewinnen an Wichtigkeit. Bis ein komplettes Umdenken von einer Präsenzkultur zu einer Leistungskultur in unseren Köpfen stattgefunden hat, wird es allerdings noch etwas dauern. Bis dahin werde ich im Büro weiterhin täglich meine Karte zur An-und Abmeldung benutzen.

 


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